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Lina: "Ein Chor ist die Zelle der Gemeinschaft"



Der litauische Chor „Gaida“ aus Wien wurde im Herbst 2016 nach der Initiative der in Wien lebenden Litauerin,  Übersetzerin und Litauischlehrerin an der Uni Wien, Lina Pestal, gegründet. 2 Jahre lang wurde der Chor von der Tatjana Wrumnig geleitet. Während  Tatjana ihr Studium weiter in Litauen fortsetzt, wird die musikalische Leitung des Chores von der Litauerin, Musikpädagogin Lina Grigaitiene übernommen.

Wir unterhalten uns über die Musik, das Chorsingen, und vor allem über die Bedeutung des Chores für das Wachstum und das Zusammenhalt der litauischen Community in Wien.

Lina, ab September übernimmst Du die musikalische Leitung des litauischen Chors in Wien. Freust Du dich?
An erster Stelle fühle ich mich sehr verpflichtet. Mit großer Verantwortung bereite ich mich für die neue Chorsaison vor. Auf der Suche nach dem passenden Repertoire habe ich während meines Urlaubes in Litauen  den Kontakt mit  meinen früheren Koleginnen aufgenommen. Ich lasse mich via Skype von meinem früheren Lektor aus der Musikakademie und Chordirigenten Saulius Mickeliunas, der jetzt in Amerika lebt, beraten. Meine Berufung ist zwar Musiklehrerin zu sein, und ich liebe diese Arbeit leidenschaftlich, aber zugleich habe ich die große Angst vor den Fehlern. Wir Litauer sind so – wir haben Angst Fehler zu machen und können lange nicht verzeihen. An erster Stelle soll das Singen im Chor Spaß machen und Freude bereiten. Das ist mein Ziel, aber bis dahin zittere ich leise von der Aufregung.

Du bist sehr aktiv in der litauischen Gemeinde. Du bist nicht nur ein Vorstandsmitglied bei dem Verein „Die litauische Gemeinschaft in Österreich“, sondern auch die Lehrerin bei der Samstagsschule „Ąžuoliukas“. Du hast dem Chor geholfen bei der Vorbereitung auf das große Sängerfest in Litauen. Außerdem, unter Deiner Initiative fand in Wien der internationale Klavierwettbewerb für Kinder „Edelweiss“ statt. Warst Du immer so aktiv? Warum?
Ja, ich war immer sehr aktiv. Mein privates Leben war kompliziert, sehr oft habe ich mich einsam gefühlt. Um mich zu verwirklichen und nicht einsam zu fühlen, stürzte ich mich in die Arbeit, oder suchte nach Tätigkeiten. Als ich noch in Litauen gelebt habe, leitete ich ein kleines Frauenensemble. Diese Frauen wollten zusammen sein und zusammen singen. Als Musik- und Klavierlehrerin an einer Musikschule in Litauen organisierte ich auch meinen Schülern verschiedene Ausflüge. Als die Umstände meines Lebens mich nach Österreich geführt haben, habe ich, um mich nicht einsam zu fühlen, den Kontakt zu der litauischen Community aufgenommen.


Chorsingen hat in Litauen, wie auch in anderen baltischen Republiken lange Tradition. Das gemeinsame Singen ist und war immer vor allem den in Ausland lebenden Litauern sehr wichtig. Deiner Meinung nach, welche Rolle spielt der Chor für die Auslandslitauer?
Ich sehe sehr große Möglichkeiten. Chorsingen ist der Teil der litauischen Kultur.  Der Chor ist vor allem sehr wichtig für das Wachstum und das Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Ich würde behaupten, der Chor ist die Zelle des Lebens einer Gemeinschaft. Man lernt hier zusammen zu sein, einander zu akzeptieren, tolerant zu sein. Die Litauer sind große Individualisten, und vor allem die, die im Ausland leben. Deshalb ist der Chor ein Ort, in dem man lernt zusammen zu sein. In einem Chor können wir unsere Kultur und unsere Sprache pflegen und weiter vermitteln. Auch der Chor „Gaida“ ist an erster Stelle ein Laienchor, in dem jeder, der will, singen und wachsen kann. Ein hohes künstlerisches Niveau ist nur an zweiter Stelle.


Was bedeutet Musik für Dich?
Mir gefällt die Stille. Ich brauche keine Musik im Hintergrund. Ich höre Musik, wenn ich mich für einen bestimmten Musiker interessiere. Dann sitze ich, höre nur Musik, und kann nebenbei keine andere Arbeiten erledigen. Ich kenne mich nicht aus in der Popmusik. Würdest du mich jetzt fragen, welcher Musiker jetzt In ist, würde ich das nicht sagen können.


Was wünschst Du dem Chor?
Ich wünsche dem Chor, dass es wächst und sich weiter entwickelt. Ich wünsche, dass die Leute, die zum Chor kommen , aus Liebe und mit der Freude, und nicht nur aus reiner Verpflichtung das machen. Mein Wunsch und auch das Ziel ist zusammen mit den Leuten, die zum Chor kommen auch eine lebendige Community zu schaffen.

Danke für das Gespräch!



P.S. Das Gespräch lief auf Litauisch und wurde von mir übersetzt.

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