Direkt zum Hauptbereich

Das Gespräch mit der Kärntnerin, die Litauisch spricht



An einem sonnigen Frühlingsmorgen treffe ich mich mit der Musikwissenschaft Studentin der Uni Wien Tatjana (21 Jahre alt) aus Kärnten in einem traditionellen Wiener Kaffeehaus.

"Lass uns auf Litauisch unterhalten" - schlägt sie vor.

"Tatjana, bist Du aufgeregt wegen des heutigen Abends?" - frage ich sie.
"Ja, sehr. Du kannst es dir gar nicht vorstellen wie sehr" - antwortet sie, zwar jedes Wort betonend aber in schönem fließendem Litauisch. Der Grund für ihre Aufregung ist Kerem Sezen, Coach und Chorleiter beim Landesjugendchor Wien, der kommen soll, um Tatjana´s Arbeit, nämlich das Dirigieren eines litauischen Frauenchores zu beurteilen.

Geboren und aufgewachsen in Klagenfurt am Wörthersee hat Tatjana, soweit sie sich erinnern kann, immer gesungen, - zu Hause und im Kindergarten. Und sie hat geträumt Geige spielen zu lernen.

"Tatjana, es interessiert mich sehr, wann hast Du zum ersten Mal die Bekanntschaft mit der litauischen Sprache gemacht?"
Im Sommer 2014 habe ich den Kurs für Chorleiter in St. Georgen in Kärnten besucht. Einer von den Lektoren war der litauische Dirigent Vilimas Norkūnas. Wir haben litauische Lieder gesungen. Der Klang einer mir unbekannten Sprache erschien mir sehr exotisch und die Lieder selbst sehr schön. Mir wurde klar, dass ich diese Sprache lernen will. Deshalb habe ich, als ich im Herbst an der Uni gesehen habe, dass es die Möglichkeit gibt Litauisch zu lernen, mich entschlossen diese Sprache zu lernen. Zuerst habe ich noch überlegt, ob ich lieber Slowenisch lernen soll. Ich komme doch aus Kärnten, Slowenen sind unsere Nachbarn, also Slowenisch wäre die vernünftigere Entscheidung gewesen. Meine Vernunft hat mir gesagt, ich soll Slowenisch lernen, aber mein Herz hat Litauisch gewählt. Schlussendlich hat mein Herz gewonnen und ich bereue meine Entscheidung nicht. Dank der litauischen Sprache mache ich heute das, was mir gefällt, nämlich dirigiere einen Chor. Obwohl das Dirigieren nicht meine erste Wahl war.

"Echt nicht?"
Am Anfang wollte ich nicht dirigieren. Stell dir vor, bei diesem Kurs in Kärnten hat mich derselbe Lektor V. Norkūnas zur Arbeitsgruppe von Dirigenten eingeteilt und gesagt, jetzt muss ich die gemischte Gruppe von 60 Personen dirigieren. Ich habe Angst bekommen... Später, als ich schon an der Uni Litauisch lernte, und wir uns am Ende des Kurses für das Abschlussfest vorbereiteten und dabei auch litauische Lieder lernten, fragte mich die Lektorin für Litauisch, selbst eine Litauerin, ob ich den Chor dirigieren würde. Sie gründete den litauischen Chor in Wien und ich wurde Dirigentin. Heute bin ich sehr glücklich, dass es diesen Chor gibt. Nach meinem Musikwissenschaft Studium möchte ich noch Chorleitung studieren.

"Neben Litauisch kannst Du noch Schwedisch und zur Zeit lernst Du auch Dänisch. Woher kommt Deine Liebe für nordeuropäische Sprachen?"
Ich weiß es nicht so genau. Mir gefällt der Klang von nordeuropäischen Sprachen, sie sind anders, interessant. Spanisch oder Italienisch zu lernen wäre für mich nicht so interessant. Viele Leute beherrschen diese Sprachen. Ich glaube, ich bin begabt für Sprachen. Im Gymnasium habe ich Englisch und Latein gelernt. Schwedisch habe ich hier in Wien beim Singen im schwedischen Chor gelernt. Jetzt lerne ich Dänisch, aber diese Sprache ist sehr schwer.

"Tatjana, Du bist wirklich begabt für Sprachen. Als wir uns zum ersten Mal vor der ersten Probestunde des litauischen Chores getroffen haben und wir uns auf Litauisch unterhalten haben, habe ich wegen Deines Akzentes gedacht, Du bist eben eine Russin aus Litauen. Ich war sehr überrascht, als Du dann gesagt hast, Du kommst aus Kärnten."

Oh, danke dir...

"Was war Dir am schwierigsten beim Litauisch lernen?"
Grammatik... Wie ist es möglich so viele Deklinationen zu haben?!

"Wie haben Deine Familie und Freunde auf Deine Entscheidung Litauisch zu lernen reagiert?"
Die Reaktionen waren sehr heftig. Meine Mutter appellierte an meine Vernunft. Sie hat gesagt, wenn ich schon eine Sprache lernen will, dann soll ich lieber Französisch oder Slowenisch lernen. Freunde waren sehr überrascht und alle haben gesagt, "was tust du dir bloß an..." Der Chorleiter von der Singgemeinschaft Krumpendorf, in der ich singe, hat gesagt, ich will in einer eigenartigen Sprache singen.

"Was wissen Österreicher in Deinem Umfeld über Litauen und die litauische Sprache?"
In Wirklichkeit wissen sie nicht viel. Sie wissen, dass Litauen eine ehemalige sowjetische Republik irgendwo im Norden ist. Sie verwechseln die drei baltische Republiken, oder meinen, die Hauptstadt von Litauen sei Riga. Also, typische Vorurteile. Wenn ich erkläre, dass Litauer und Letten separate Sprachen sprechen und Estnisch überhaupt einer anderen Sprachgruppe angehört, sind sie sehr überrascht.

"Also, dann bist Du eine Botschafterin Litauens in deiner Umgebung."
So sieht es aus.

"Warst Du schon in Litauen?"
Ja, im Sommer 2016 für zwei Wochen war ich in Litauen gemeinsam mit meiner Mutter und meiner Schwester. Meine Mutter war sehr skeptisch wegen meines Wunsches Litauisch zu lernen, aber sie war die Erste, die mir vorgeschlagen hat zum Urlaub nach Litauen zu fahren. Meine Mutter hat wenig über das Land gewusst, bevor ich angefangen habe die Sprache zu lernen. Die Reise im Sommer war für uns ein Abenteuer, weil wir nicht wussten, was uns erwartet.
Die Natur hat mir sehr gefallen, und die Leute erschienen mir schüchtern. Ich habe Vilnius, Trakai, Klaipėda und die Kurische Nehrung besucht.
Meiner Mutter hat vor allem die Natur gefallen, aber Urlaub will sie trotzdem in Italien machen.
Ich war beeindruckt von der Schönheit der Kirchen in Vilnius. Der öffentliche Verkehr ist sehr punktuell. Aus der litauischen Küche haben mir die kalte Rote-Beete Suppe und Apfelkäse geschmeckt.
Die Bedienung in den Lokalen erschien mir nicht überall freundlich zu sein, aber in den kleinen Bekleidungsgeschäften waren sie sehr freundlich und nett.
In diesem Sommer möchte ich wieder sehr gern nach Litauen kommen.


"Danke für das Gespräch"

Tatjana Wrumnig (21) Musikwissenschaft Studentin. Geboren und aufgewachsen in Klagenfurt am Wörthersee, wohnt in Wien. Sie singt im Chor der schwedischen Gemeinde, in der Chorvereinigung St. Augustin in der Jesuitenkirche, The New Senfl Choir, Frauenterzett, in der Singgemeinschaft Krumpendorf. Sie ist die Dirigentin des litauischen Frauenchors in Wien.



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Lina: "Ein Chor ist die Zelle der Gemeinschaft"

Der litauische Chor „Gaida“ aus Wien wurde im Herbst 2016 nach der Initiative der in Wien lebenden Litauerin,   Übersetzerin und Litauischlehrerin an der Uni Wien, Lina Pestal, gegründet. 2 Jahre lang wurde der Chor von der Tatjana Wrumnig geleitet. Während   Tatjana ihr Studium weiter in Litauen fortsetzt, wird die musikalische Leitung des Chores von der Litauerin, Musikpädagogin Lina Grigaitiene übernommen. Wir unterhalten uns über die Musik, das Chorsingen, und vor allem über die Bedeutung des Chores für das Wachstum und das Zusammenhalt der litauischen Community in Wien. Lina, ab September übernimmst Du die musikalische Leitung des litauischen Chors in Wien. Freust Du dich? An erster Stelle fühle ich mich sehr verpflichtet. Mit großer Verantwortung bereite ich mich für die neue Chorsaison vor. Auf der Suche nach dem passenden Repertoire habe ich während meines Urlaubes in Litauen   den Kontakt mit   meinen früheren Koleginnen aufgenommen. Ich lasse m...

Laima Gimbutienė "Jūros pieva" apžvalga

Esu beveik tikra, kad knygos kaip ir žmonės ateina į mūsų gyvenimus kai mums jų reikia. Kai prieš metus rašiau tekstą apie lietuvę kulinarę, gyvenančią ir dirbančią Grace, pokalbio su ja metu porą kartų buvo paminėta ir jos mama - kūrybinga, muzikali, atvira žmonėms asmenybė. Kai sužinojau, kad ši moteris yra ir vienos religinės giesmės, su kuria augo ir brendo Lietuvos katalikiškas jaunimas po Atgimimo, autorė, panorau dar labiau su ja susipažinti. Tuo metu Kopenhagoje gyvenanti Laima Gimbutienė buvo kaip tik išleidusi savo pirmąją knygą "Jūros pieva". Paprastai meilės romanų neskaitau, bet kai šią žiemą mano naktinį miegą ėmė drumsti skaitomų knygų apie partizanų kovas vaizdai, supratau, kad man reikia kažko lengvo. Lyg netyčia kažkur akys užkliuvo už žinutės, kad "Jūros pieva" autorė kartoja romano tiražą bei rašo knygos tęsinį.  Knygos herojė - keturiasdešimtmetė lietuvė Lina iš nedidelio provincijos miestelio po 18 santuokos metų paliekama vyro. Lin...